Europameisterschaft : Frankreich besiegt Deutschland

Feiernde Franzosen beim öffentlichen Fußballschauen zu suchen war am Donnerstagabend genau so schwierig, wie kriechend auf dem Leopoldplatz eine verlorene Kontaktlinse zu finden. Deutsche Fans gab es dagegen zuhauf in vielen Lokalen, als die deutsche Nationalelf vor 64 000 Zuschauern in Marseille um den Einzug ins Finale kämpfte. War die Stimmung zu Beginn noch recht hoffnungsvoll, kippte die gute Laune beim Hobby-Trainergespann am Biertisch spätestens in der Verlängerung der ersten Halbzeit, als Frankreich vom italienischen Schiedsrichter Nicola Rizzoli einen Elfer zugesprochen kam. Sofort war man sich einig, dass dieser „unglückliche Zustand“ nie hätte passieren dürfen und Verschwörungstheorien machten die Runde, da die deutsche Mannschaft die Azurblauen ins Aus geschossen hatte. Immer wieder kommt Unruhe auf, wenn im gegnerischen Strafraum etwas passiert und Zuschauer geben mehr oder weniger sinnvolle Tipps, was man selbst als Spieler auf dem Feld jetzt unternommen hätte. Viele Franzosen schauen das Spiel daheim im privaten Kreis und nur durch Zufall erkennt man sie doch an der Sprache, Fahnen oder Schals haben sie keine dabei. „Ich habe schon schlechte Erfahrungen gemacht, als ich nach einem Gewinn meiner Mannschaft von anderen Fans blöd angemacht wurde“ meint Henry, der seit diesem Vorfall auf Fankleidung verzichtet. Jura aus Holland, eine Tänzerin aus dem Ensemble des Stadttheaters, ist an diesem spielfreien Abend mit ihren Kollegen auch in den Biergarten gekommen. Ihr Herz schlägt auch für die französische Elf, auch wenn sie ohne Fanartikel dasitzt. Nach dem Spiel wird noch eine Weile von den Spezialisten gefachsimpelt und von Ferne hört man noch ein paar geltungsbedürftige Hobbyrennfahrer, die in Papas Auto noch einmal mit dem Deutschlandfähnchen in der Hand durch die Nacht hupen.
Vielen ist es allerdings egal, ob das Gastgeberland am Sonntag gewinnt, denn mit dem Ausscheiden der Deutschen ist bei ihnen ist das Thema Europameisterschaft jetzt abgehakt.