Meinung: Tankboykott? Purer Quatsch!

Könnt ihr euch noch erinnern, als die Mitarbeiter der Tankstelle mit einem Kasten voller Zahlenschildern und einer Leiter an die Preisanzeigetafel hochgeklettert sind und den aktuellen Treibstoffpreis angebracht haben?

Zum Glück wurden die Preisschilder durch digitale Anzeigen ersetzt und der Preis wird nun automatisch von der Zentrale des Tankstellenkonzerns gesteuert. Und hier ist auch der springende Punkt: Der Tankstellenpächter hat keinerlei Einfluss auf die Preisgestaltung. Und auch ist nicht er es, der viel daran verdient, denn der Betreiber der Tankstelle bekommt nur etwa 2-3 Cent (!!!) pro verkauftem Liter Treibstoff.

Das drumherum macht’s

Deshalb ist es an Tankstellen wichtig, dass das Begleitgeschäft läuft. Der Kunde soll sich morgens im Vorbeifahren seinen Kaffee und sein belegtes Brötchen holen und wenn mal spontan etwas ausgeht, dann ist es auch einfach, an der Tanke die ausgegangene Milch zu kaufen. Hier wird das Geld für den Tankwart verdient.

Deshalb bringt es auch herzlich wenig, wenn man an einem bestimmten Tag die Fahrt zur Tankstelle boykottiert. Der Einzige, der dadurch bestraft wird, ist der Tankstellenbetreiber, denn ihm fehlen an diesem Tag die Einnahmen, die er durch „das Drumherum“ macht.

Und ob der Tankwart seine wöchentliche Treibstoffmenge an sechs oder an sieben Wochentagen verkauft, macht keinen Unterschied. Er merkt nur, dass am einen Tag 50 Kunden mehr kommen, die am nächsten Tag dann ausbleiben. Denn um richtig Sprit zu sparen, müsste man dann auf das Tanken komplett verzichten und eine Alternative suchen.

Die Kleinen dauerhaft unterstützen

Um ein sichtbares Zeichen gegen hohe Treibstoffpreise zu setzten, müssten theoretisch alle nur bei den kleinen freien Tankstellen tanken. Das ist allerdings sehr aufwendig und unbequem, denn während man bei den großen Anbietern vierspurig an acht Zapfsäulen tanken kann und der Tankvorgang in wenigen Minuten beendet ist, dauert es bei den kleinen Tankstellen entsprechend länger. Und darauf haben die wenigsten Lust.

Deutliche Preisunterschiede gibt es zwischen freien und Konzerntankstellen (Foto von Ostern 2019)

Auf Bonuspunkte verzichten

Als besonderes Lockmittel setzen die großen Konzerne noch auf das Abhängigmachen der Kunden, in dem sie zum Beispiel Bonuspunkte vergeben, mit denen man sich bei entsprechender Anzahl eine Prämie zu einem scheinbar günstigen Tarif kaufen darf. Allerdings ist auch das nur ein Mittel zur Kundenbindung, um den Kunden nicht an die Mitbewerber zu verlieren.

Vor Jahren musste ich dienstlich bei einem großen Konzern tanken und dort gab es pro zehn getankten Litern Treibstoff einen Treuepunkt. Wenn man seine gesammelten Punkte auf eine Karte eingeklebt hatte, konnte man für 40 Treuepunkte eine Sporttasche mit Rollen zum ziehen für eine „gerine Zuzahlung“ von 18,– Euro erwerben. Bei 80 bzw. 120 Treuepunkten verringerte sich die Zuzahlung auf 12,– Euro bzw. im günstigsten Fall auf 6,– Euro.

Nach meiner Recherche wurden diese Taschen im Großhandel zu einem Preis von 7,– Euro weiterverkauft. Wenn nun ein Großkonzern deutschlandweit Taschen für sich produzieren lässt, erhält er selbstverständlich auch andere Konditionen. Eine Prämie kostete den Konzern in diesem Fall sicher keine fünf Euro und schon durch den „günstigen Verkauf“ hat man hier einen Verdienst gemacht.

Damit aber der Verbraucher dieses Bonusgeschenk überhaupt bekommt, muss er 40 Treuepunkte haben, was bedeutet, dass er erst mal 400 Liter Treibstoff tanken muss. Und wer sich freut, dass er eine Sporttasche für günstige sechs Euro erstanden hat, vergisst vor lauter Freude, dass er eigentlich erst mal 1200 Liter Treibstoff tanken musste, die er bei einer freien Tankstelle 48 Euro günstiger* bekommen hätte.

Die kleinen Tankstellen können mit so einem Bonussystem nicht mithalten und punkten daher bei ihren Kunden meistens mit günstigeren Preisen. Deshalb soll man hier tanken und dadurch die freien Tankstellen unterstützen.

Und wenn alle das machen, sollte das auch irgendwann mal hinhauen, dass die großen Konzerne etwas merken und die Treibstoffpreise dauerhaft gesenkt werden.

*Grundlage für die Beispielrechnung ist ein Preisunterschied von 4 Cent pro Liter Treibstoff